🚀 Tobias Sammelsurium der Woche #52/2023
In die festliche Freude mischte sich diese Woche bei mir das, was bei Sissi so prosaisch »akute Lungenaffektion« genannt wird. Seit dem hüte ich eigentlich das Bett. Eigentlich, weil ich gestern dachte, es sei eine gute Idee das Haus mal zu verlassen. War es nicht.
Ich besuchte unter anderem die hiesige Filiale eines großen Discounters, denn ich brauchte mehr Ingwer und Zitronen zur Selbstmedikation. Vor allem brauchte ich einen Tapetenwechsel.
Wenn ich bei besagtem Discounter einkaufe, ist es normalerweise schon dunkel. Ich treffe dann auf Eltern, denen das Nötigste zum Abendessen dummerweise noch fehlt und erschöpfte Menschen nach der Schicht, die schon lieber auf der Couch wären, aber auch noch den Kühlschrank füllen müssen. Dazwischen ein paar Jugendliche, die sich mit Energy-Drinks und Chips für die Nacht ausrüsten. Zusammengeschweißt wird diese Menschenmischung durch ein knappes Personalkonzept, das von den sechs Kassen nur ein bis zwei besetzen kann. Man lernt sich unfreiwillig kennen.
Gestern jedoch war alles anders. Ich war gegen Mittag unterwegs und wunderte mich schon beim Betreten über das Publikum. Ich traf Menschen, die ich dort noch nie gesehen hatte. Verwunderlich daran war nicht ihre Existenz per se, sondern ihre Kleidung. Alle sahen aus, als hätten sie sich fürs Theater fein gemacht. Die Haare waren frisch onduliert, es wurden Pailletten-Oberteile der Glitzerklasse »Captain’s Dinner« ausgeführt und Göttergatten, die so aussahen als würde sie zum ersten Mal in diesem Jahr einen Supermarkt betreten, standen seelig lächelnd neben ihrer Liebsten.
Die Auslagen in der Obst- und Gemüseabteilung wurden gemeinsam bewundert als sei man auf dem Viktualienmarkt und in trauter Zweisamkeit wurden Früchte fast ehrfürchtig in den Einkaufswagen gelegt. Zwei Mädchen hielten Ausschau nach Zitronen und fragten ihren Vati, welche sie nun nehmen sollten. Großzügig sagte er: »Wenn wir Bio kaufen können, nehmen wir gerne Bio.« Kurz vermutete ich Loriots Geist hinter den Kisten. Hach, es war ein bisschen wie in einem Sissi-Film. Leicht entrückt, ausgesucht höflich und völlig aus der Zeit gefallen.
An dieser Stelle schrieb ich vor einem Jahr, dass man sich im Bergischen Land, diesem gallischen Städtedreieck zwischen Rhein und Ruhr, gerne einen »guten Übergang« wünscht, was morbide und esoterisch zugleich klingt. Vielleicht habe ich gestern genau diesen Übergang erlebt. Vielleicht wird 2024, wie dieser Besuch im Supermarkt. Entrückt, höflich, aus der Zeit gefallen. Vielleicht bin ich aber auch nur ein bisschen angeschlagen. So oder so: das neue Jahr darf dann jetzt kommen.
Dir einen glücklichen Übergang!
T.
P.S. Selbstverständlich habe auch ich Ingwer und Zitronen gerne in Bio-Qualität gekauft.
Post der Woche
Fünf fürs Wochenende
Heiter weiter!
Den Kolumnisten Axel Hacke halte ich für einen bemerkenswert klugen Menschen und einen heiteren Autor. Sein Buch »Der kleine König Dezember« ist nicht nur im letzten Monat des Jahres eine lebensfrohe Lektüre. Doch Hacke tut sich ab und zu schwer selbst heiter durch das Leben zu gehen. Dass das so ist, hat ihn gewundert und deswegen hat er ein Buch mit dem Titel »Über die Heiterkeit« geschrieben. Wer keine Lust auf das Lesen, aber auf die Gedanken hat, dem sei das aktuelle Interview in der Sendung »Sternstunde Philosophie« im Schweizer Fernsehen empfohlen.
» Gut für 2024 und darüber hinaus
Der Tempel in der Staumauer
BIG Design ist das Büro des dänischen Stararchitekten Bjarke Ingels, das die weltweit einzige Müllverbrennungsanlage mit Skiabfahrt, den Copenhill in Kopenhagen, entworfen hat. Jetzt hat das Team eine ganze Stadt, genannt Mindfulness City, als Projekt in Bhutan entworfen. Der Fokus der Stadt liegt auf Brücken, die bewohnbar sind. In einer zu errichtenden Staumauer soll ein Tempel entstehen. Die Entwürfe sehen spektakulär aus und passen zu dem einzigen Land der Welt, das das Bruttonationalglück misst.
» Über sieben Brücken musst du gehen
Mit Essen spielt man nicht
Also wirklich nicht. Es sei denn, es ist cute. Dann vielleicht schon. Also, wenn Schneemänner Schlitten auf Pfannkuchen fahren oder Eismännchen in Soße versinken – so etwas halt. Dann könnte man schon mal darüber nachdenken, mit Essen zu spielen. @celineyrs spielt jedenfalls vergnügt mit Lebensmitteln und ich kann es ihr nicht verdenken.
» Mama, nur ein Mal. Versprochen. OK?
Bauanleitung für Pros
Unter vielen Weihnachtsbäumen lag bestimmt wieder Lego und hat für schöne Stunden des Aufbauens gesorgt. Was aber, wenn man etwas Größeres aufzubauen hätte? Beispielsweise eine Internationale Raumstation. Das wäre doch mal was. Dauert etwas länger, braucht etwas mehr Geld, ist aber auch etwas beeindruckender im Ergebnis. Dieses Animationsvideo zeigt innerhalb von 15 Minuten, wie es funktioniert. Sieht machbar aus.
» Ich bau mir 'ne ISS als Wochenendhaus
Let it snow!
Der Winter 2023/2024 zeichnet sich bisher ja eher durch Regen, Regen und manchmal etwas Regen aus. Ein Besuch im Münsterland diese Woche ließ mich glauben, ich sei an der Mecklenburger Seenplatte angekommen. Lange Schneespaziergänge sind bis auf weiteres also ausgeschlossen. Wer trotzdem davon träumt, sollte dieses Video anklicken. Zwei Stunden purer Wald-Schneefall.
» White noise at its best
Gedanke der Woche
»Wir sind allesamt Würmer.
Aber ich glaube, dass ich ein Glühwürmchen bin.«
Winston Churchill
Bild der Woche
Frage der Woche
Auf was wirst du Silvester 2024 stolz zurückblicken?