Tobias Sammelsurium der Woche #49/2022
Guten Morgen {{first_name}},
bist du gestern morgen auch heftig zusammengezuckt? Sicher, der erste funktionierende Warntag war weit und breit angekündigt, aber als um 11 Uhr, mitten in einer Videokonferenz, mein Handy schepperte, hat mein Hasenherz doch eine Extrasystole eingeschoben.
Die Sirene ein paar Minuten später warnte offensichtlich vor einem Nukular-Krieg, (ja, es heißt nukular!), aber die Entwarnung erfolgte glücklicherweise vor dem Einschlag der Rakete.
Ich habe mich gefragt, wie viele Beerdigungen, Therapiesitzungen, Klassenarbeiten, Toilettenbesuche und Nickerchen in diesem Moment wohl eine äußerst schreckhafte Wendung genommen haben.
Die Idee des Warntags ist clever. Wir tun so, als wäre was. Alle wissen, dass nix ist, erschrecken sich aber trotzdem und wissen so, wie es sich anfühlt, wenn wirklich mal was ist.
Stellt sich die Frage, welche Warntage brauchen wir sonst noch?
Ja, Chef, sicherlich bin ich seit 15 Jahren die aufopferungsvolle Stütze des Unternehmens. Doch ich bin mir sicher, dass sie das ab kommendem Monat auch ohne mich ganz wunderbar meistern.
Schatz, nimm das jetzt wirklich nicht persönlich, aber es ist aus zwischen uns.
Liebe Tochter, du bist jetzt erwachsen, bitte such dir sofort eine eigene Wohnung.
Herr Schmitz, Ihre Dispo-Nutzung liefert uns seit Jahren gute Zinserträge, allerdings gehen wir ab sofort auf Nummer sicher und bitten Sie, innerhalb der kommenden 3 Tage den negativen Saldo Ihres Kontos auszugleichen.
Mark Twain meinte "Wer eine Katze am Schwanz trägt, lernt etwas, das man auf keine andere Weise lernen kann". Unangekündigte Warntage durch Kollegen, Partner, Eltern und Banken würden in die gleiche Erkenntniskategorie fallen. Das Prüfen der eigenen kritischen Infrastruktur für emotionale Ausnahmesituationen sollte uns den Schreck doch wert sein, oder?
Dir ein gut vorbereitetes Wochenende
T.
P.S. Statt Herztropfen empfehle ich dieses Wochenende das atmosphärische Jazz-Album Kerscheklapp, um zu entspannen.
Gezwitscher der Woche
Fünf fürs Wochenende
Stutz
Der überaus talentierte Schauspieler Jonah Hill hat eine Doku mit und über seinen an Parkinson erkrankten Psychotherapeuten Phil Stutz gedreht. Dessen Therapieansatz ist anders als viele sich Therapie gemeinhin vorstellen und vor allem so, dass vermutlich jede*r etwas draus mitnehmen kann. Ein humorvoller, liebevoller Besuch im eigenen Seelenleben. Perfekt für kalte Wochenenden im Bett.
» Zum Trailer (2 Minuten, YouTube), » zur Doku (96 Minuten, Netflix)
Jahresrückblick
Heute ist der 343. Tag des Jahres. Während ich diesen Satz schreibe leben ca. 8.040.791.500 Menschen auf diesem Planeten. Über acht Milliarden Lebensgeschichten voller Erfolge, Tragödien und Alltagserlebnissen. Die Nachrichtenagentur AP hat in ihrem fotografischen Jahresrückblick Bilder zusammengestellt, die auch nur eine Mikro-Ausschnitt aus 2022 sind, es aber fast alle nicht in die Nachrichten geschafft haben.
Weltkarte
Auf der Höhe welcher europäischen Stadt liegt eigentlich New York? Welcher Anteil der Landmasse Afrikas liegt nördlich des Äquators? Die Mercartor-Projektion, die uns bekannteste Kartendarstellung der Erde, verzerrt wortwörtlich unsere Wahrnehmung. John Nelson hat eine interaktive Seite geschaffen um unser Erdkundewissen zu aktualisieren.
Armageddon
"Was wäre, wenn"-Gedankenspiele sind ein hübscher Zeitvertreib. Diese Seite ermöglicht es, den Einschlag eines Asteroiden mit selbstdefinierten physikalischen Charakteristiken zu simulieren. Das Ding, das ich "spaßeshalber" auf Köln geworfen habe, hätte Großteile Westeuropas ausgelöscht. Muss ja nicht sein. Besser also, man macht das nur virtuell. Mein simulierter Asteroid kommt statistisch nur alle 6,7 Millionen Jahre vor, insofern ist er noch kein Grund für einen orbitalen Warntag.
40 Fragen
Ich sammele Fragen. Klar, dass ich da an diesem Blogpost nicht vorbei gekommen bin. Stephan Ingo hat, in Anlehnung an den berühmten Fragebogen von Marcel Proust, 40 Fragen zusammengestellt, die er sich alle zehn Jahre stellen möchte. Gibt es einen klassischeren Zeitpunkt für so etwas als das Jahresende? Die gleichen Fragen mit Abstand immer wieder zu beantworten und irgendwann die Konstanten und Änderungen anzusehen wäre jedenfalls ein spannendes Experiment.
Gedanke der Woche
"Das Heilmittel gegen das Hochstaplersyndrom ist die Erkenntnis, dass alle anderen Menschen auch nur überzeugende Hochstapler sind." – Alison Gopnik
Bild der Woche
Frage der Woche
What is love?
Das Ding der Woche
Gibt es eigentlich eine Hilfsorganisation für emotional verhungernde Briefkästen? Nein? Müsste es aber. Meist werden Sie nämlich nur mit ungesundem Müll gefüttert: Werbung und Behördenpost. Kein Wunder, dass die Dinger lustlos rumhängen. Ab und zu allerdings kommt ein echtes Schmankerl rein. Diese Woche war es bei mir ein humorvoll-weihnachtliches Postkartenset von Carsten Fuchs. Wahrscheinlich war der gleichzeitig eingeworfene Mist ganz neidisch und fragte sich welche karmische Fügung ihn selbst nur zum Metro-Prospekt werden ließ. Solch ein postalisches Schmankerl, dass man nicht kaufen kann, erhellt den ganzen Tag. Heute also kein Konsumtipp als Ding der Woche, sondern eine Aufforderung: schreib mal wieder! Danke, lieber Carsten.