Tobias Sammelsurium der Woche #43/2023
Das Deutsche hat Wörter in die Welt gebracht, die man sich wohl nur in diesem Land ausdenken kann. Dazu gehört, neben dem auch im Englischen mittlerweile verwurzelten Zeitgeist, ganz bestimmt der Weltschmerz. Er gehört zu den Gewinnern des Jahres 2023. Ukraine! Klima! AfD! Israel! Inflation! Demographie! Schmerzen, überall Schmerzen.
Es gibt noch ein weiteres schönes deutsches Wort: Nullsummenspiel. Nullsummenspiele sind Spiele, bei denen die eine gewinnt, was die andere verliert, Schachfiguren zum Beispiel. Am Ende hat sich an der Anzahl der Schachfiguren nichts geändert. Nur die Besitzverhältnisse sind neu. Es gibt Sieger und Verlierer.
Schach ist nicht nur ein Nullsummenspiel, sondern auch ein endliches Spiel. Wer sein Gegenüber schachmatt setzt, gewinnt. Dann geht es wieder von vorne los. Das Leben hingegen ist ein in sich unendliches Spiel. Man kann es nie gewinnen oder eine neue Runde beginnen.
Im Gegensatz zum Schach ist das Leben kein Nullsummenspiel. Um Freude, Glück, Ruhe oder andere schöne Dinge zu empfinden, muss man sie niemandem wegnehmen. Ganz im Gegenteil, sie verstärken sich sogar durch Teilung.
Wozu führt das? Am Ende heben sich Weltschmerz und gelungenes Leben nicht zur Nullsumme gegeneinander auf und das wiederum ist eine sehr gute Sache, falls man zwischendurch mal am unendlichen Spiel des Lebens (ver-)zweifelt.
Dir ein schmerzfreies Wochenende!
T.
P.S. Eine Bitte habe ich noch. Nächste Woche wird das Sammelsurium zwei Jahre alt. Höchste Zeit also, das Schwarmwissen der überaus gutaussehenden, wohlriechenden und klugen Leserinnen und Leser dieses kleinen Newsletters, du bist gemeint, einzusammeln. Welchen Link, welches Buch, welche Ausstellung, welche Platte musste hier schon längst mal empfohlen werden? Links bitte rucki-zucki an tobdeh@gmail.com. Bedankt!
Post der Woche
Fünf fürs Wochenende
Dutchify your Straße
Wer, wenn nicht unsere freundlichen Nachbarn im Westen, wissen am Besten um die Lebensqualität durch einen »Fiets first« Lebensstil? Während in Deutschland Auto-Bürgermeister, wie Kai Wegner in Berlin, das Rad (höhö) gerne zurückdrehen würden und Petitionen gegen Fahrradstraßen zum guten Ton gehören, sind die Niederlande uns weit voraus. Zur Überzeugung der Moffen haben Sie jetzt einen KI-Generator gebaut, der per Google Streetview jede Straße in Deutschland und der Welt zur Fahrradstraße transformiert. Lass das mal nicht Kai Wegner sehen.
» Prachtig fietsen en leven
Grenze erreicht
Man sollte ja meinen, Staatsgrenzen sind eine relativ statische Angelegenheit. Tja, Pustekuchen. Nicht nur die deutsche Wiedervereinigung 1990 hat Linienverschiebungen gebracht, sondern, historisch betrachtet, sind Grenzen eine relativ dynamische Angelegenheit. Die Seite HistoricBorders fängt damit 123.000 Jahre vor Christus an. Vollständigkeit ist ja unerlässlich.
» Zur Grenzüberschreitung
Bach im Wald
Wenigen Menschen wird zuteil, dass ihre Arbeiten dereinst in einem Werkverzeichnis zusammengefasst werden. Johann Sebastian Bach ist eine dieser Ausnahmen und unter den Nummern BWV 1007 bis 1012 verstecken sich seine Suiten für Violoncello. Der weltbekannte Cellist Yo-Yo Ma hat die Suite Nr. 1 zu so etwas wie seinem Signature-Stück erhoben und es jetzt erstmalig in einem Wald eingespielt. 15 Minuten Frieden.
» Zum Waldbaden
Solitude
Die deutsche Sprache kennt wahrlich viele Nuancen. Beim Wort Einsamkeit schwingt allerdings schnell eine melancholisch-verlorene Seite mit. Im Englischen gibt es das viel schönere Wort »Solitude«. Es beschreibt den Zustand für sich, abseits von Gesellschaft, zu sein. Das kann durchaus eine sehr uneinsame Sache sein. Gelungene Solitude braucht natürlich auch einen passenden Ort. Diese Drohnenaufnahmen von verlassenen Häusern in, nun ja, Einzellage lassen mich von Solitude träumen. Einmal renovieren und eine Bibliothek einbauen, bitte.
» Ach, lass mich in Ruh'
Bunte Tücher
Farbenfrohe Textilien in die Luft geworfen, erinnern schnell an rhythmische Tanzgymnastik. Der Fotograf Thomas Jackson hat seine Tüll-Kollektion lieber mit an den Strand genommen und die Tücher in den Wind gehangen. Die Kombination aus Sturmesbrausen, Farben und Langzeitbelichtung produziert faszinierend-flüchtige Fotos.
» Zum Strandgut
Gedanke der Woche
»Das wünsche ich ganz vielen Menschen: andere Kulturen und Lebensweisen kennenzulernen. Es gäbe viel weniger Angst voreinander, und man könnte viel deutlicher sehen, was uns alle miteinander verbindet.«
Pina Bausch
Bild der Woche
Frage der Woche
Was hättest du gerne schon viel früher im Leben gewusst?
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