Tobias Sammelsurium der Woche #31/2024

Diese Woche habe ich einen Ferien-Roadtrip gemacht und viele Orte zum ersten Mal besucht. Ganz am Anfang stand ein Besuch im Kröller-Müller-Museum in den Niederlanden. Neben einer Van-Gogh-Sammlung gibt es dort, mitten im Naturschutzgebiet, einen Skulpturenpark. Eine davon heißt »Needle Tower«

Ein Bauwerk, dessen große Metallröhren sich nicht berühren und nur durch zwischen ihnen verspannte Stahlseile gehalten werden. Beeindruckend leichtfüßig, beweglich und doch stabil wirkt die Konstruktion.

Aus der Ferne höre ich einen Deutschen, der das Werk mit dem Blick eines Mannes, der es nicht versteht, es aber trotzdem erklären will, betrachtet  zu seinen Begleiterinnen sagen: »Wichtig ist ja zu wissen, welches Konstruktionsprinzip hier zu Grunde liegt«. Sonst, so ergänzt er, fast weltmännisch, betrachte man das Kunstwerk »ja nur ästhetisch«.

Irritiert sitze ich in meinem Stuhl, den die freundlichen Niederländer als Beobachtungsposten in die Natur gestellt haben und blicke auf den Turm. Gucke ich nur ästhetisch? Interessiere ich Banause mich gar nicht für das Konstruktionsprinzip? Genieße ich die Sonne im Gesicht und wird mein schlichtes Gemüt in seiner hedonistischen Einfältigkeit nur durch das gewichtig-gehaltlose Mansplaining beeinträchtigt? Ja.

Kurze Zeit später komme ich an einem Schild vorbei. Statt den üblichen »instructions«, verrät es die »unstructions« für den Park:

  1. close your eyes
  2. clear the air
  3. walk backwards
  4. lay down on the ground
  5. smell the colourwealth
  6. ground your roots
  7. listen
  8. tickle the grass
  9. wear bare feet
  10. ready or not

here i come

Vielleicht habe ich den Park, sein Konstruktionsprinzip und den Sommer intuitiv doch ganz gut verstanden. Und möglicherweise erweisen sich die Unstructions auch außerhalb des Museums als beachtenswert, in diesem Ding, das wir Alltag nennen.

Tensegrity heißt übrigens das Konstruktionsprinzip, das starre und flexible Elemente spielerisch miteinander verbindet. Auch eine schöne Metapher fürs Leben. Kann man sich merken. Bloß sollte man nicht davon sprechen, wenn man schweigend staunen sollte.

Dir ein ästhetisches Wochenende
T.

P.S. Suchst du noch Ausflugsziele? Hier völlig ungefragt und völlig subjektiv ein paar Tipps: eins, zwo, 3, viehiiier, fünnef, zex

Post der Woche

Fünf fürs Wochenende

Es kracht ständig

Steffen Mau ist Makrosoziologe an der Berliner Humboldt-Universität und wollte wissen, wie gespalten die Menschen in Deutschland bei gesellschaftlich relevanten Themen tatsächlich sind. Er hat herausgefunden, dass der Großteil der Bevölkerung viel näher beieinander liegt, als oftmals vermutet wird und das es vier zentrale Triggerpunkte gibt, die die Diskussion über und die Umsetzung von Veränderungen erschweren. Sehr lesenswert.
» Einiger als gedacht

Legotürme zerstören

Maschinenbau, das ist keine dahingefummelte Geisteswissenschaft, nein Maschinenbau ist etwas handfestes. Auch wenn die meist männlichen und (anekdotisch) meist Karohemd tragenden Experten des Berufsstandes einen tendenziell eher drögen Ruf haben, so ist mit ihrem Fachwissen doch überaus Nützliches zu schaffen. Zum Beispiel eine sehr analytische Herangehensweise, wie man mit Lego-Maschinen Lego-Türme zum Umfallen bringen kann. Kein Wunder, dass das Video schon über 2,1 Millionen Abrufe in nur 5 Tagen hat.
» Dem Ingenieur ist nichts zu schwör

Schwarzes Loch zerstören

Das gute, alte »Schnick, Schnack, Schnuck« ist im Englischen als »Rock, Scissors, Paper« bekannt. Im Gegensatz zur Schulhofvariante kann man in diesem Spiel beliebige Objekte nutzen, um das vorherige zu zerstören. Das kreiert natürlich unendliche Möglichkeiten. Alles beispielsweise lässt sich mit einem schwarzen Loch zerstören, wie aber zerstört man ein schwarzes Loch und wann setzt man es ein? Die Regeln sind einfach: Wer die längste Zerstörungskette schafft, gewinnt. Ich musste bei 19 aufgeben.
» Stein gegen Stein = Unentschieden

Das Klima in 60 Jahren

Mal wieder ist dieser Sommer heißer als alle seine Vorgänger. Aber wie wird das Klima in 60 Jahren sein? Diese Karte zeigt den eigenen Wohnort und den heutigen Ort, mit dem die Temperaturen dann vergleichbar sein werden. So wird aus Deutschland dann wohl Italien. Klingt machbar. Aber wie sieht es 2084 in Italien aus?
» It's getting hot 'round here

Stromversorgung: Wind of Change

Im ersten Halbjahr 2024 haben Wind- und Solarenergie mehr als 30% zur Stromversorgung in der EU beigetragen und damit erstmals die fossilen Energiequellen überholt. Eine Erfolgsgeschichte, deren Ende noch nicht erreicht ist.
» Die Zukunft kann kommen

Damals geschrieben

#31/2023: Der Smalltalk. Das Einpinkeln.
#31/2022: Das Nicht-Wissen. Das Weltall.

Gedanke der Woche

»Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort.
Dort treffen wir uns.«
Rumi

Bild der Woche‌‌‌‌

Frage der Woche

Wo musst du nochmals hin?

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