Tobias Sammelsurium der Woche #26/2023
Die mexikanische Restaurantkette Taqueria Garibaldi mit zwei Standorten in Kalifornien war mir bis zu dieser Woche vollkommen unbekannt. Internationales Aufsehen erregte ihr Chef Che Garibaldi jetzt, weil er für sein 35-köpfiges Team einen eigenen Priester eingestellt hatte. Dieser sollte der sehr katholischen Belegschaft geistlich bei der Arbeit zur Seite stehen. Denkste!
Tatsächlich war seine Aufgabe, in fingierten Beichten Kenntnis von Fehlverhalten am Arbeitsplatz, wie Diebstahl und Verspätung, zu erhalten und diese dann an Mr. Garibaldi weiterzugeben. Ein Plan so perfide, dass wahrscheinlich die Stasi gerne darauf gekommen wäre. Mitarbeiterin Maria Parra wunderte sich über das Pseudopaffen, denn ihre wahren Sünden interessierten ihn gar nicht. Nun, der Schwindel flog auf und die Taqueria Garibaldi musste unter anderem 70.000 $ Entschädigung ans Team zahlen.
Wenn's nicht mehr stimmt, muss man gehen. Das gilt für Che Garibaldis Mannschaft genauso wie für die katholische Kirche. Mehr als 500.000 Angehörige der (noch) größten Kirche haben letztes ja Winke-Winke und Bye-Bye gesagt. Ganz ohne Beichte hat man seitens der Bischofskonferenz rausgefunden, dass, neben dem Ekel über die Missbrauchsskandale, viele Menschen sich hierzulande eine liberalere Kirche wünschen. Frauen als Priesterinnen, Aufhebung des Zölibats? Das geht dem heiligen Vater in Rom eindeutig zu weit. Er ist deshalb unter die Werber gegangen und hat sich folgenden Slogan für seine evangelischen Kollegen ausgedacht: "In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon."
An dieser Stelle verbinden sich der ganz große und der kleine Weltenlauf. Egal ob kleines mexikanisches Restaurant oder katholische Kirche: das Bessere bleibt eben doch der schlimmste Feind des Guten und setzt sich am Ende immer durch. Papst Franziskus und Che Garibaldi gefällt das nicht.
Dir ein exzellentes Wochenende!
T.
Gezwitscher der Woche
Fünf fürs Wochenende
Ertrinken sieht nicht aus wie Ertrinken!
Sommerzeit ist Badezeit – Zeit zum Ertrinken. Seitdem ich einmal eine Ertrinkende mit gerettet habe, weiß ich, wie dramatisch diese Momente sind, vor allem weil sie eben nicht dramatisch aussehen. Wenn jemand ertrinkt, dann wird nicht, wie es oft im Fernsehen gezeigt wird, wild geschrien und gewunken. Das Ertrinken ist fast immer ein ruhiger und wortloser Vorgang. Lies diesen Text, damit du vielleicht im richtigen Moment erkennst, das etwas überhaupt nicht stimmt.
» Zum Lebensretter
Gepflegter Verriss
Wir leben ja in total lieben Zeiten. Alles ist nett, schön, wunderbar. Menschen sind freundlich und zugewandt – vor allem, wenn sie sich öffentlich äußern. Die Kunst der Kritik, der scharfzüngigen Bennenung des Schlechten und das störrische Anzählen des aufgesetzten Getues ist unpopulär geworden. Doch es geht auch anders. Im Wiener Standard ist unlängst eine Restaurantkritik erschienen die ist so höflich-boshaft, so unverblümt abgeneigt, ohne dabei die Contenance zu verlieren, dass es sich sie lohnt zu lesen ohne vom Ort des Geschehens jemals gehört zu haben, geschweige denn ihn besuchen zu wollen.
» Es ist aufgebahrt im Restaurant Donnersmarkt
How to spot an idiot
Die Tradition der Commencement Speech an amerikanischen Universitäten hat schon zu vielen lustigen, inspirierenden und flammenden Reden geführt, die junge Mensche vor dem endgültigen Start ins Leben hören. Der Gouverneur von Illinois hat diese Woche in seiner Rede in knapp 4 Minuten erklärt, wie man Idioten erkennt und meidet. Humanismus to go.
» Would an idiot do that?
Unser tägliches Brot gib uns heute
Ein richtig gutes Butterbrot besteht aus maximal drei Komponenten. Gutes Brot, gute Butter, Salz. Das gute Brot backt man idealerweise selbst. Außer Zeit braucht es dazu gar nicht so viel. Na gut, mehr als beim Bäcker zu sagen "Das da, geschnitten!" natürlich schon. Wer wie die Profis mit Sauerteig backen möchte, braucht einen Sauerteigansatz. Den herzustellen ist etwas aufwändiger, aber es gibt nette Menschen die teilen ihren gratis. Wo man die findet? Auf der Sauerteigbörse. Die Karte zeigt, Deutschland ist ein Land der Dichter und Bäcker.
» Zur Sauerteigbörse
A History Of The World According To Getty Images
Getty Images ist eine der großen Bildagenturen der Welt. In den Archiven schlummern dort mehr Fotos und Videos von wichtigen Momenten der Menschheit im 20. Jahrhundert als sonst irgendwo. Das Video ist eine Reflektion darüber, dass solche Archivalien das kollektive Bewusstsein der Vergangenheit beeinflussen und die kommerziellen Anbieter reicher und machtvoller machen, als wir wahrscheinlich vermuten.
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Gedanke der Woche
"Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten."
Hilde Domin
Bild der Woche
Frage der Woche
Is it better to know or not to know?