Tobias Sammelsurium der Woche #18/2024
Bei der letzten Zählung befanden sich noch exakt zwei Krawatten in meinem Besitz. Eine dezente, die ich anziehen könnte, wenn es mal wirklich nötig wäre eine zu tragen und eine schwarze, für den Fall, dass jemand verstürbe. Nummer 1 wird an weniger Tagen im Jahr getragen, als ich Finger an den Händen habe und Nummer 2 dankenswerterweise noch viel seltener.
König Charles, dessen modische Wandlungsfähigkeit mich schon vor längerem begeisterte, hat mich diese Woche allerdings zum Nachdenken gebracht. Beim ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Krebsdiagnose trug seine Majestät eine rosafarbene Krawatte, die im Dessin durch kleine T-Rex Dinos bestach. Der internationalen Presse war zu entnehmen, bei diesem Umbinder handele es sich um ein Geschenk seines Enkels Prinz Louis. Es wird darüber hinaus gemunkelt, dass die klangliche Ähnlichkeit von T-Rex und C-Rex im Englischen eine besondere Freude des Monarchen sei. Schließlich ist C-Rex die Abkürzung für Charles Rex, was auch Nicht-Lateiner schnell in Charles König übersetzen können.
Eine Krawatte hat also die Macht sehr subtil Botschaften des Humors, des Familienzusammenhalts und der eigenen Herrlichkeit zu senden. Der moderne Mann hat sich, im Gegensatz zu Königen und anderen Würdenträgern, ohne Not dieser non-verbalen Kommunikationsform beraubt. Gerade große Traditionsmarken wie Hermés bieten subtile Motive wie Bunny Dream an, mit denen sich geistreiche Botschaften senden lassen. Besser kann man 235 € fast nicht investieren.
Der im Londoner Natural History Museum lebende T-Rex nahm die Steilvorlage seines Königs jedenfalls geschickt auf und legte zum Dank umgehend eine King-Charles-Krawatte an, was die königliche Familie auf X mit »Rex-cellent choice«. kommentierte. Wenn Könige sich einig sind, sollte ich Normalsterblicher vielleicht auch darüber nachdenken meine Kollektion wieder zu erweitern. The trend is schließlich your friend.
Dir ein modisches Wochenende
T.
Post der Woche
Fünf fürs Wochenende
Die Welt im Bild 2024
Der World Press Photo Award hat gerade wieder die Pressebilder des Jahres gekürt. Gruppiert nach Kontinenten sind die Aufnahmen eine eindrucksvolle Reise um die Welt, die zeigt, wie nah und fern zugleich unsere Lebensrealitäten auf diesem Planeten gleichzeitig sind.
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All we hear ist Radio Gaga
Interessanterweise ist trotz Internet, Podcasts und Musik-Streaming ein Medium nicht tot zu bekommen: das Radio. Wer die Stimmen und Jingles des eigenen Standardsenders im Schlaf erkennt, möchte vielleicht mal bei Radio Garden vorbeischauen. Dabei handelt es sich um eine interaktive Weltkugel, auf der tausende Radiostationen zwischen Novosibirsk und Feuerland verzeichnet sind. Ein Klick und der Stream startet. Faszinierend.
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Man spricht deutsch!
Die Verhunzung der deutschen Sprache ist so unvermeidlich wie der Aufgang der Sonne. Es wird immer schlimmer, Wörter aus aller Welt und manchmal auch nur aus dem Hirn pubertierender Jugendlicher machen aus der Sprache der Dichter und Denker eine unverständliches Gebrabbel und das auf Lock. Echt sus. In der DDR hatte man noch gute deutsche Wörter, wie Personenvereinzelungsanlage und Erdmöbel. Der Postillon, die letzte Bastion aufrechten deutschen Journalismus, hat sich daher jetzt viel Mühe gegeben und fünfzig alltägliche Anglizismen korrekt eingedeutscht.
» Äußerst löblich
Stille Post – der Film
Was passiert, wenn man über 5700 Menschen nacheinander bittet eine Kopie dessen zu zeichnen, was sie gerade vorgelegt bekommen haben und die Ausgangszeichnung ein perfekter Kreis ist? Soviel sei verraten, es ist kein Kreis. Aber es ist eine beeindruckende Animation. Sollte man beim nächsten Mal dran denken, wenn man das Gefühl hat, nicht verstanden zu werden.
» Das Gruppen-Daumenkino
Bach im Permafrost
Der Cellist Yo-Yo Ma hat sich auf den schmelzenden Permafrost-Boden Alaskas gesetzt und dort zwischen Birken die Prélude aus Bachs Cello Suite Nr.2 gespielt. Eine ebenso friedliche wie aufrüttelnde Aufzeichnung an einem Ort, den es bei weiter steigenden Temperaturen so irgendwann nicht mehr geben wird. Absolut sehens- und hörenswert.
» Augen zu, Ohren auf
Damals geschrieben
#18/2023: Der Belohnungsaufschub. Die ganze Welt, na na na na na na na.
#18/2022: Die Streisand. Der Pöbel.
Gedanke der Woche
»Das Leben ist so kurz, so zerbrechlich, so rätselhaft. Wie viele Menschen lieben wir eigentlich im Laufe eines Lebens? Nur ein paar, ein paar ganz wenige. Wenn die meisten von ihnen nicht mehr da sind, verändert sich die Landkarte unserer inneren Welt.«
Paul Auster
Bild der Woche
Frage der Woche
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