Tobias Sammelsurium der Woche #14/2025
Das Drama der Woche kommt aus Washington D.C., dachtest du bis jetzt? Falsch! Auch hierzulande gibt es nach wie vor Bestrebungen der sogenannten Gegenwart die Türe vor der Nase zuzuschlagen und alles schön so zu lassen, wie es einstmals — vermeintlich besser — war.
Das Wehren mit Klauen und Zähnen gegen die Weltoffenheit findet nicht nur mit dem scharfen Schwert des Importzolls statt, sondern auch im Kampf gegen die Dönerbude.
Essingen in Baden-Württemberg ist mit seinen 6452 Bürger*innen ein Hort des Anstands. Alle Bilder, die man im Internet findet, sind pittoresk. Hier lebt die Kehrwoche und die sehr sauberen Bürgersteige werden mit schwäbischer Präzision um 18 Uhr hochgeklappt.
Doch jetzt droht Ungemach. Ein Gastronom will tatsächlich die erste Dönerbude des Orts eröffnen. Mit Klauen und Zähnen wehren sich Einwohner*innen und Lokalpolitik gegen diesen kulinarischen Frefel.
Essingen hat Angst vor unangenehmen Gerüchen, Lärm und Abfall. »Wir brauchen keinen Döner. Wir haben schon eine Pizzeria im Ort. Das reicht!« lässt sich eine örtliche Rentnerin zitieren.
Doch die geradezu gallisch gegen die Veränderungen kämpfenden Essinger haben dummerweise den Feind in den eigenen Reihen. Nicht der potenzielle Imbissbudenbetreiber sticht sein Dönermesser in den Rücken der Ortsgesellschaft, sondern die eigene Jugend.
Die hat sich nämlich erdreistet, eine Petition in diesem Internet (Neuland!) zu veröffentlichen und für den Döner zu kämpfen. Lucas Fuchs, der Initiator, ist dabei von Rebellion weit entfernt. Er bittet die »sehr geehrten Damen und Herren« um ihre digitale Unterschrift, da es zwar einen Ältestenrat, aber keinen Jugendrat im Ort gebe.
Vielleicht müssten es Lucas und seine Freunde wie Trump machen: Statt Unterschriften für eine Dönerbude zu sammeln, sollten sie eine Moschee mit Muezzinruf für Essing fordern. Dann würden alle so sehr toben, dass, um die Moschee zu verhindern, die Dönerbude genehmigt würde. Wer 100% will, muss eben 200% fordern.
Alternativ sollte die Dorfjugend über einen Umzug nach Berlin nachdenken. Da gibt's eh genug Schwaben und ungefähr genauso viele Dönerbuden. Wie heißt es auf Schwäbisch? »Jeds Häsle find sei Gräsle.«
Dir ein weltoffenes Wochenende!
T.
Post der Woche

Fünf fürs Wochenende
Konservierte Klänge
Daniel Chun und Jan Derksen aus Essen sagen von sich sie seien keine Nostalgiker. Aber sie wollen die akustische Evolution der Dinge dokumentieren. Deswegen haben sie ein Online-Museum erschaffen, in dem sie Geräusche aus vergangenen Zeiten konservieren. Das Klacken einer analogen Kamera, die Sounds früher Spielekonsolen, das Springen des Toasters – über 120 Geräusche haben sie schon für die Ewigkeit gebannt. Geräusche, die man meint förmlich anfassen zu können.
» Analog kickt anders
Swiss Beauty
In der Schweiz ist alles sehr sauber, ordentlich und korrekt. In der Schweiz hat man viel Geld und selbst einfache Sachen werden sehr gut ausgeführt. Swissness, sagen die Schweizer*innen, ist die Kombination aus Fairness, Präzision, Zuverlässigkeit, politischer Stabilität, Natürlichkeit und Sauberkeit. Weil das für alles gelten soll, gilt es auch für so etwas Schnödes wie die Schweizer Reisepässe. Deren Ende 2022 eingeführte Gestaltung ist ein Hochamt aus Design, Technik und, man mag es kaum glauben, einem Attribut, das offiziell nicht zur Swissness gehört: Lässigkeit.
» Ein Pass zum Angeben
368 Hühner
Warnung: Dieses Spiel ist brutal. Nicht weil es blutrünstig, aufregend oder gewaltvoll ist. Nein, weil sich die Hühner darin auf die Netzhaut brennen. 368 Hühner müssen durch geschicktes Kombinieren in Reihen von jeweils mindestens drei gleichen Chicks aufgelöst werden. Good Luck. Man kann bekloppt daran werden. Klick den Link gerne an, aber sag mir nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Putzig sind sie übrigens auch, die Hühner.
» Gack-Gack
Modelleisenbahn im Maßstab 1:1
Viele Männer, bei weitem nicht alle, lieben Züge, wollten Lokführer werden und träumen so sehr von der Eisenbahn, dass sie sich in ihrem Keller oder auf dem ausgebauten Dachboden eine Modellversion gebaut haben. Diese hat häufig den Maßstab 1:87. Sie ist also siebenundachtzig Mal kleiner als die Realität. Da sitzen die Männer dann und träumen davon, dass die echte Welt so wäre wie ihre. Weil es in der echten-echten Welt nichts gibt, das es nicht gibt, gibt es OpenRailwayMaps, eine Seite auf der man weltweit Gleise findet mit allen Infos zur Trassenführung, Signalen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und was sonst noch gebraucht wird, damit der Zug kommen kann. Auf dieser Anlage im Maßstab 1:1 werden die meisten Männer niemals einen Zug bewegen, aber in ihren Träumen könnten sie das. Tschooo-Tschooo!
» Die Bahn kommt
Zappen
Als ich klein war, konnten wir fünf Fernsehsender empfangen. ARD, ZDF, WDR, RTL und irgendwann VOX. Das war scheiße, denn mit Kabel oder Satellit ging soooooo viel mehr. Gut, mein Bruder hatte ein Kind in seiner Klasse, da wurde der Fernseher extra aufgebaut, wenn mal was geguckt werden durfte. Das war natürlich noch viel scheißiger. Heute ist alles anders. Das lineare Fernsehen ist tot, der Empfangsweg egal, die Auswahl unendlich und trotzdem findet man nichts. Die Paradoxie der Auswahl. Mit tv.garden wird die Auswahl noch größer. Da findet man Sender aus aller Welt im Stream. Warum also nicht einfach mal im afghanischen Fernsehen nichts finden?
» Bis die Augen viereckig sind
Damals geschrieben
#14/2024: Die Problemelefanten. Die Geschenkandrohung.
#14/2023: Der Feiertag. Die digitalen Eier.
Gedanke der Woche
»Das Lachen kommt aus der gleichen Fabrik wie das Weinen.«
Helge Schneider
Bild der Woche

Frage der Woche
Nimmst du deine Arbeit mit nach Hause oder dein Zuhause mit auf die Arbeit?
Die geheime Durchhaltsache
Der Versuch 2025, statt eines großen Vorsatzes, eine kleine Sache jeden Tag zu machen.
Diese Woche: 3/7 | Insgesamt: 58/93 | Stimmung 🫤
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