Tobias Sammelsurium der Woche #13/2023
Dieser Tage las ich, dass Winston Churchill den Morgen gern im Bett verbrachte, dabei die Zeitung las, telefonierte und dort gegen 11 Uhr einen Whisky Soda oder ein Glas Champagner trank. Zum Nachahmen fehlt es mir, neben einem Bakelit-Telefon mit Textilschnur am Bett, auch an verständnisvollen Kindern und Kollegen, die mich so lange liegen lassen würden. Vor allem: Wer sollte mir die Getränke reichen? Es herrscht ja Fachkräftemangel.
Kann man sich heutzutage vorstellen, dass Olaf Scholz aus dem Bett regiert? Bei ihm kann man Führung bestellen (sagt er), aber gelungenes Leben, fürchte ich, hat er nicht im Angebot. Überhaupt scheint die Exzentrik dieser Tage keinen guten Ruf zu haben. Alle sind so ernst geworden. Das ist äußerst betrüblich.
Viele grämen sich ob der Zukunft, belehren sich wechselseitig was richtig und falsch ist und hoffen, dass sie am Tag des jüngsten Gerichts mit ihrer Weltanschauung richtig lagen. Lieber tot im Recht sein, als lebendig leicht daneben zu liegen, ist wohl das ultimative Ziel menschlichen Daseins geworden.
Sollte diese Welt zu unseren Lebzeiten untergehen wäre es vollkommen egal, wenn wir ab sofort bis mittags im Bett blieben. Sollte sie jedoch nicht untergehen, wovon ich ehrlich gesagt ausgehe, wäre es vielleicht gut wir würden alle öfter churchillen.
Dir ein heiteres Wochenende!
T.
Gezwitscher der Woche
Fünf fürs Wochenende
Monets Legolilien
Mein noch unbearbeitetes Vater-sein-Trauma ist der Lego-Berg, dem wir nicht mehr Herr werden. Unzählige, demontierte Sets machen es kaum möglich die richtigen Teile wiederzufinden. Das Sortieren nach Farben oder Bauformen ist ein aussichtsloses Unterfangen. Einerseits hat es sich der chinesische Künstler Ai Weiwei in der Hinsicht leicht gemacht, er verwendete nämlich nur 1er-Steine. Andererseits auch nicht, der er verwendete 650.000 davon. Wofür? Er hat auf 15 Meter Länge Monets Wasserlilien nachgebaut. Stein für Stein. Zu sehen ab dem 7.4. im Design Museum London. Vielleicht muss ich da aus therapeutischen Gründen kurzfristig hin.
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Papierflieger
Zu wissen, was man nicht kann, mag ernüchternd sein, erhöht aber das Potential des Staunens ins Unermessliche, wenn man auf Menschen mit einer für einen selbst unfassbaren Begabung stößt. Das französische Kunst-Duo Zim & Zou ist so ein Fall. Sie schaffen Kunstwerke von absolut wahnsinniger Schönheit und Handwerkskunst aus Zellulose. Ich empfehle zunächst einen Blick auf die Papierflieger der Serie Exodus und danach auf alle anderen Projekte.
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Kindheit
Kinder der 1980er Jahre haben Fotoalben mit Bildern voller fragwürdiger Frisuren und oft zu grellen Farben als Erinnerung an ihre frühen Jahre. Einen etwas globaleren Blick hat der italienische Fotograf Massimo Bietti. Er fotografiert junge Menschen auf der ganzen Welt. So unterschiedlich die Lebenswelten sind, so verbindend sind die neugierigen Augen.
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Alte Autoreifen Architektur
Pro Jahr werden weltweit 1,75 Milliarden Autoreifen aussortiert. Das sind 3.300 pro Minute. Eine gigantische Zahl und ein noch viel gigantischeres Entsorgungs- bzw. Recyclingproblem. Shail Patel hat mit Hilfe des KI-Bildgenerators Midjourney Gebäude kreiert, die aus Altreifen bestehen. Bestimmt sind diese Häuser baurechtlich unzulässig, das Material ist dafür nicht geeignet und die DIN-Norm 0815/3 sagt "Um Himmels Willen!" zu sowas. Aber: Vielleicht ist das auch einfach eine verdammt clevere Idee. Keine Ahnung, ob wir irgendwann Altreifen-Architektur erleben werden. Sehenswert ist sie ganz bestimmt.
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Statt Kaminfeuer
Ein digitales Kaminfeuer auf DVD ist so 2000er, dass es eigentlich nicht mehr erwähnt werden darf. Als äußerst stilvolle Alternative bietet sich ein zweistündiges BBC Video mit Naturszenen an. Es hilft wahrscheinlich bei Einschlafen oder kann auch lautlos als digitales Kunstwerk im Hintergrund laufen. Auch wer einfach nur mal auf der Zeitleiste durchskipt wird fasziniert sein. Kein Audio-Kommentar, nur Musik. Schönheit pur.
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Gedanke der Woche
"Ich bin ja immer der Meinung: Jeder kann irgendwas. Man kann Männer doch auch nicht immer so auf ihren Humor reduzieren, man muss ab und zu auch mal auf den Körper gucken. "
Barbara Schöneberger
Bild der Woche
Frage der Woche
Häh?