Tobias Sammelsurium der Woche #10/2023
Zunächst dachte ich, es brauche eine gehörige Portion Chuzpe, um als Deutsche Bahn zu verkünden, dass die Sanierung des Schienennetzes und der damit einhergehende Deutschlandtakt frühestens 2070 vollständig realisiert werden kann. Ich werde dann 87 Jahre alt sein. Meine Lebenserwartung liegt aktuell bei 87,3 Jahren. Das wird knapp, aber machbar.
Je länger ich darüber nachdenke, desto dankbarer bin ich der Bahn. Erstens werde ich mich nicht abrupt auf besseren Service einstellen müssen, schließlich ist Veränderung immer schwierig. Zweitens habe ich jetzt etwas zum Freuen. Ich werde noch ein Deutschland erleben, in dem wir gut und gerne mit dem Zug fahren. Jung sein, hust hust, zahlt sich endlich aus.
Wenn auf dem Weg dahin andere staatliche Institutionen ebenfalls große zeitliche Gelassenheit an den Tag legen könnten, käme mir das sehr entgegen. Ich würde gerne meine Steuererklärungen bis 2070 sammeln und dann per Deutschlandtakt direkt zum Finanzministerium nach Berlin bringen. Die Bescheide gehen dann an meine Erben. Deal, Herr Lindner?
Persönlich wäre ich dabei auch vollkommen technologieoffen, ob der Zug schienengebunden, als Hyperloop, Transrapid oder auf den Ätherwellen durchs Land schießt. Hauptsache, die Bahn kommt.
Dir ein entschleunigtes Wochenende
T.
P.S. Bis 2070 dürfte Sinatras Come Fly with me aktuell bleiben.
Gezwitscher der Woche
Fünf fürs Wochenende
Klangwunder
Notre Dame, die Pariser Kathedrale auf der Seine-Insel, ist weltberühmt für ihre Akustik. Victor Hugo schrieb über sie, dass sie einen Klang habe, "der so segensreich und majestätisch ist, dass sie die kranke Seele beruhigt". Der Großbrand 2019 löste eine komplexe Restauration aus, nicht zuletzt um auch den Klangkörper wiederherzustellen. In einem interaktiven Artikel macht die New York Times die Akustik erlebbar. Kopfhörer aufsetzen!
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Bildung
Wolf Lotter kam schon öfter im Sammelsurium vor. Der Autor und Publizist ist ein scharfer Denker, wenn es um eine Wirtschaft und Arbeitswelt von Menschen für Menschen geht. Die aktuelle Folge beschäftigt sich mit unserem Bildungsbegriff und warum eine Besinnung auf das humanistische Weltbild statt das Ausbilden von Lemmingen für die Industrie unerlässlich ist.
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Very Bad English
Das unsere französischen Freunde der englischen Sprache mit lässiger Verachtung entgegen treten hat wahrscheinlich schon jede*r in Frankreich erlebt. Eine geradezu tollkühne Wendung nimmt die Sache, wenn die dortige Filmindustrie englischsprachige Filmtitel mit neuen, englischsprachigen Filmtiteln versieht. Warum die das so machen? Mir schwant es hat etwas mit dem schlechten englisch des Publikums und, naja, Sex zu tun.
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Sachen scannen
Wie kommen die Streifen in die Zahnpasta und brennt auch nachts im Kühlschrank das Licht? Diese Fragen hat die Sendung mit der Maus längst geklärt. Aber wie sehen eine Lego-Figur, Batterien oder ein Game Boy von von innen aus? Die Seite Scan of the Month jagt Gegenstände durch den Computertomographen und zeigt mit den Scan-Schichten das gesamte Innenleben. Faszinierend und staubfrei.
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Kunst auf Ausflug
Das Mauritshuis Museum hat das weltberühmte Vermeer-Gemälde des "Mädchen mit dem Perlenohrring" an das Amsterdamer Rijksmuseum verliehen. Während die Dame selbst nicht im Haus ist, werden Dutzende von Alternativen des Kunstwerks digital ausgestellt, die im letzten Jahr im Rahmen eines Wettbewerbs eingereicht wurden. So bleibt das Werk in vielen Interpretationen trotz Abwesenheit anwesend. Coole Idee.
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Gedanke der Woche
"Es hat keinen Sinn, Kinder zu erziehen, sie machen sowieso alles nach."
Karl Valentin
Bild der Woche
Frage der Woche
Wovon gibt es nie genug?
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